WWW: Die vernetzte Welt

WWW: Die vernetzte Welt
WWW: Die vernetzte Welt
 
Bei Umfragen nach der bedeutendsten technischen Revolution des 20. Jahrhunderts wird mehrheitlich der Computer an erster Stelle genannt. Tatsächlich ist es aber wohl die Entwicklung der Kommunikationstechnologie, die Wirtschaft und Gesellschaft am meisten beeinflusst hat. Auch ohne Computer hätten Datenübertragungstechnologien und Kommunikations- und Informationstechnologien wie Telefon, Radio und Fernsehen Wirtschaft und Gesellschaft grundlegend verändert. Selbst Computer werden erst durch die Verbindung miteinander, durch ihre Vernetzung also, so mächtig und auch - im Sinne des »großen Bruders« - potenziell so gefährlich, wie sie es sind. Umgekehrt benötigt moderne Telekommunikation Computer, sodass es erst die Kombination von Kommunikationsnetzen mit Computern ist, die im Begriff ist, unsere Welt nachhaltig zu verändern. Das bekannteste Beispiel dafür ist das Internet, ein Zusammenschluss von Tausenden von Computernetzen, durch den heute fast jeder Ort der Welt von jedem anderen über Computer erreichbar ist.
 
Ausgehend von bescheidenen Anfängen in dem 1969 vom amerikanischen Verteidigungsministerium eingerichteten ARPAnet, dem advanced research projects agency network, verbindet das Internet heute mehrere Millionen Computer, auf denen weltweit zugreifbar Daten und Programme liegen, und hat nach Schätzungen Mitte 1998 zwischen 40 und 80 Millionen Benutzer - mit stark steigender Tendenz. Die drei ursprünglichen Grundanwendungen des Internets sind Telnet, das es erlaubt, einen Computer an einem anderen Ort so zu verwenden, als wäre er vor Ort, E-Mail, das den Austausch von Botschaften weltweit in Sekundenschnelle gestattet, und das file transfer protocol FTP, mit dem große Datenmengen in einem Stück von irgendwo in der Welt abgeholt werden können. Seit den frühen 90er-Jahren macht das aus Europa stammende World Wide Web (WWW) immer mehr von sich reden, das sich inzwischen zur größten, aber auch chaotischsten interaktiven Bibliothek entwickelte.
 
Das WWW kann mit jedem Computer, der etwa über eine Telefonleitung mit einem internet service provider verbunden ist, leicht benutzt werden, indem der Anwender sich von einem Bildschirminhalt zum anderen nur durch das Anklicken markierter Stellen weitertastet. Man kann also durch das Verfolgen von Verweisen, den links, Informationen lokalisieren, doch kann das Auffinden durch die Verwendung von Suchmaschinen oder durch die direkte Eingabe der Adresse des Computers einer bestimmten Organisation erleichtert werden. Diese Adresse heißt in der Fachsprache URL, uniform resource locator. Ein solcher URL wäre etwa http://www.bifab.de; seine Eingabe führt direkt zum Einstieg in das Angebot des Verlags Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG.
 
Die Popularität des WWW geht aber nicht nur darauf zurück, dass es einfach zu bedienen ist, sondern dass auch die Informationseingabe für Anbieter schnell und kostengünstig möglich ist. Freilich weicht die ursprüngliche Euphorie, dass durch das WWW »jeder zum Verleger wird«, inzwischen der Ernüchterung; zum Aufbau großer Angebote im WWW benötigt man zunehmend komplexe Produkte und wachsende Kenntnis. Das WWW entwickelt sich ferner von einem passiven Abrufmedium hin zu einer immer größeren Interaktivität: Man kann Botschaften austauschen, mit unbekannten Personen diskutieren oder verschiedenste Transaktionen durchführen.
 
 Das Angebot im World Wide Web
 
Informationen gibt es zu fast jedem Thema, und sei es noch so ausgefallen. Ob Zeitungen oder Zeitschriften, Firmen oder Organisationen - bei über 2 Millionen Servern, das heißt Computern, auf denen Informationen zum Abruf bereit lagern, ist es unmöglich, auch nur einen annähernden Überblick zu geben. Bei all der Fülle des Informationsmaterials gibt es aber einige wichtige Grundzüge.
 
Die Masse der Informationen ist textorientiert mit eingestreuten Bildern; andere Medien, insbesondere Audio, Video, Animationen oder 3-D-Modelle, sind im Ansatz verfügbar, ganze Musikwerke zum Beispiel sind aber bisher nur selten abrufbar. Eine Ausnahme bilden einige riesige kartographische Bestände von detaillierten Atlanten bis zu Wanderkarten. Die größten Schwächen bei allen Informationen im WWW sind die Schwierigkeiten beim Auffinden, die Uneinheitlichkeit der Informationen und die Unsicherheit bezüglich ihrer Authentizität. Aus diesen Schwächen ergibt sich der Bedarf an elektronischen Verlagen, an Redaktionsteams, die die im WWW verfügbaren Informationen Informationen sichten, bündeln und systematisch strukturieren. Daher werden zentrale Verweisserver in allen Bereichen immer mehr an Bedeutung gewinnen.
 
Die Bedeutung des »Ecommerce«, des elektronischen Handels mit Buchungen und Bestellungen aller Art, nimmt ständig zu und entwickelt sich zu einer bedeutenden Branche. Am deutlichsten sieht man dies beim Buch-, CD- und Videoversand. Beispielsweise bietet die größte WWW-Buchhandlung eine Auswahl von über 4 Millionen lieferbaren Titeln. Dass Ähnliches bei CDs und Videos auch besonders attraktiv ist, liegt auf der Hand: Das WWW beginnt somit in einigen Bereichen den Zwischenhandel wie Kaufhäuser, Reisebüros oder Bankfilialen zu umgehen. Die prognostizierten Umsätze für das Jahr 2000 für den Verkauf über das WWW liegen beim Lebensmittelhandel bei 7 % des Gesamtumsatzes, in den vorher erwähnten Branchen sind die Zahlen noch höher. Gleichfalls beliebt sind Verzeichnisse wie Telefonbücher, Unterhaltungsangebote und elektronischer Handel. Immer wichtiger wird das WWW auch im Bereich Ausbildungsunterstützung unter dem Namen web based training (WBT). Tatsächlich wird prognostiziert, dass das WWW alle Bereiche der Ausbildung grundlegend verändern wird.
 
Interessant ist, dass im WWW auch eine Fülle von künstlerischen und historischen Bildern vertreten ist, ja dass Tausende Museen einen Einblick in ihre Sammlungen über das WWW gestatten. Daneben ist zu sehen, dass sich Bibliotheken mehr und mehr zu digitalen Bibliotheken entwickeln. Es darf dennoch nicht verschwiegen werden, dass das WWW auch Adressen enthält, in denen etwa Kinderpornographie angeboten wird oder politisch radikale Gruppierungen Propagandamaterial verbreiten. Dieser Aspekt ist allerdings nur einer des WWW, muss aber dennoch sorgfältig beobachtet werden.
 
 Probleme und Zukunft des World Wide Web
 
Dem Benutzer des WWW fallen bei dessen Benutzung vor allem drei Aspekte negativ auf: die oft langen Wartezeiten, die sich durch bessere Netzwerke allmählich verringern werden, die vielen »gebrochenen Links«, also Verweise, die »ins Leere« führen, aber durch neue Methoden vermieden werden könnten, und die chaotische, schwer durchschaubare Struktur, die durch zentrale Verweisserver und elektronische Verlage bekämpft werden wird. Auch für Fragen, wie sichere und einfachere Bezahlung, die neue Urheberrechtsproblematik bei der Verwendung von elektronischem Material oder die Standardisierung vor allem im Bereich Audio, Video und Interaktivität gewährleistet werden kann, gibt es gute technische Lösungen; es ist zu hoffen, dass solche sinnvollen Entwicklungen nicht durch kommerzielle Interessen gefährdet werden.
 
Inzwischen setzt das WWW seinen Siegeszug fort. Nicht nur die Informations- und Transaktionsmöglichkeiten wachsen, neue Möglichkeiten wie das Einklinken in die Übertragungen von Videokameras, die irgendwo aufgestellt sind, die Internettelefonie und Dienste, die regelmäßig neue Informationen für ein bestimmtes Benutzerprofil liefern, aber auch die Vision des »Wissensmanagements« für ganze Personengruppen werden allmählich sichtbar. Die Revolution unserer Gesellschaft durch Computernetze hat durch das WWW zusätzlich an Dynamik gewonnen.
 
Prof. Dr. Dr. h.c. Hermann Maurer & Maria-Luise Lampl

Universal-Lexikon. 2012.

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